1976
„Langsam, skat! Lauf nicht zu schnell, sonst fällst du!“, rief Lillian ihrer kleinen Enkelin hinterher, die es wie immer nicht aushalten konnte, langsam durch die einladende Dünenlandschaft zu spazieren.
Die weißen Wege schlängelten sich verspielt durch das sanfte Auf- und Ab der üppig bewachsenen Hügel bei Tornby Strand.
Berit liebte es, auf den schmalen Pfaden zwischen silbern schimmerndem Strandhafer und den niedrigen Heidekraut- und Kriechweideflächen hindurchzulaufen. Vom Parkplatz beim Hotel Munch waren es zwar nur wenige Minuten zu Fuß zur Klitplantage, aber in diesem Abschnitt des weitläufigen Dünengebiets bei Hirtshals hätte sich Berit gerne auch ewig aufhalten können.
Es machte ihr so großen Spaß, die hohen Dünen hinaufzulaufen und dann im verzweigten Gewirr der Trampelpfade eben den zu finden, der sie wieder hinunter zu ihrer Großmutter führen würde.
Wenn sie es geschafft hatte, einen der doch ziemlich steilen Hügel hinaufzuklettern, wurde sie mit einer herrlichen Aussicht auf die tiefblaue Nordsee und ein großes Dünengebiet mit vereinzelten Ferienhäusern belohnt. Bei klarem Wetter konnte man nicht nur den Leuchtturm von Hirtshals sehen, sondern auch den, der bei Rubjerg Knude hinter einer gewaltigen Sanddüne hervorlugte. Oben auf einer Düne fühlte sich Berit frei und schwerelos.
Beim Hinunterlaufen hatte sie das Gefühl, immer mehr in das prächtige Farbenspiel der hügeligen Dünenlandschaft einzutauchen. Inmitten satter Grüntöne leuchteten sowohl silberne Sanddornpflanzen mit unzähligen, orangen Beeren als auch die Magenta farbigen Blüten und feuerroten Hagebutten der Kartoffelrosen. In diesem Pflanzenmeer stand ihre geliebte Großmutter, die wie immer ihr braunes Wolltuch um die Schultern gelegt hatte.
Ihre wundervolle mormor hatte alle Geduld der Welt und schimpfte niemals, auch wenn jene sie kurzzeitig aus den Augen verloren hatte. Berit liebte es, mit ihrer Großmutter auf Bjæsk-Tour zu gehen, auch wenn sie sich nicht wirklich darum bemühte, ihr beim Sammeln der benötigten Beeren und Kräuter zu helfen.
Wie jedes Jahr sammelte Lillian unzählige Hagebutten der Kartoffelrosen, die sie zur Herstellung von Bjæskschnaps brauchte. Der braune Weidenkorb an ihrem Arm war schon halb gefüllt mit dicken, leuchtend roten Früchten, als Berit ihr mit glühenden Wangen entgegenlief.
„Hast du denn noch nicht genug davon, mormor?“
„Ich denke schon. Hilfst du mir mit dem Sanddorn?“
„Brauchst du so viele davon? Den haben wir doch schon zweimal gesammelt!“
„Das war für Marmelade. Jetzt ist es Zeit für Schnaps, skat“, sagte Lillian lächelnd und streichelte liebevoll über das erhitzte Gesichtchen ihrer Enkelin.
„Ich mag beides nicht. Und außerdem sticht der mich immer.“
„Magst du lieber noch ein bisschen herumlaufen?“
Statt einer Antwort schlang die Kleine ihre Arme um Lillian und lief dann wieder auf einen grünen Hügel zu.
Stella, oh, Stella sagte:
Schön mit dem Rückblick, da kommen wohl noch mehr? Gute Art, Hintergrundinformationen zu bekommen.
Anmerkung:
„Ihre wundervolle mormor hatte alle Geduld der Welt und schimpfte sie niemals, auch wenn jene sie kurzzeitig aus den Augen verloren hatte.“
Entweder: „… und schimpfte niemals, …“ oder “ … und schimpfte sie niemals aus,“ …
Berit sagte:
Danke, das ist mir nicht aufgefallen. Wird ausgebessert.
Liebe Grüße