• Startseite
  • Kontakt
  • Über
  • Kapitel 1: Grün
  • Kapitel 2: Braun

Berit malt

Berit malt

Monatsarchiv: November 2016

7

24 Donnerstag Nov 2016

Posted by Berit in Braun

≈ 2 Kommentare

1976

„Langsam, skat! Lauf nicht zu schnell, sonst fällst du!“, rief Lillian ihrer kleinen Enkelin hinterher, die es wie immer nicht aushalten konnte, langsam durch die einladende Dünenlandschaft zu spazieren.
Die weißen Wege schlängelten sich verspielt durch das sanfte Auf- und Ab der üppig bewachsenen Hügel bei Tornby Strand.

Berit liebte es, auf den schmalen Pfaden zwischen silbern schimmerndem Strandhafer und den niedrigen Heidekraut- und Kriechweideflächen hindurchzulaufen. Vom Parkplatz beim Hotel Munch waren es zwar nur wenige Minuten zu Fuß zur Klitplantage, aber in diesem Abschnitt des weitläufigen Dünengebiets bei Hirtshals hätte sich Berit gerne auch ewig aufhalten können.
Es machte ihr so großen Spaß, die hohen Dünen hinaufzulaufen und dann im verzweigten Gewirr der Trampelpfade eben den zu finden, der sie wieder hinunter zu ihrer Großmutter führen würde.
Wenn sie es geschafft hatte, einen der doch ziemlich steilen Hügel hinaufzuklettern, wurde sie mit einer herrlichen Aussicht auf die tiefblaue Nordsee und ein großes Dünengebiet mit vereinzelten Ferienhäusern belohnt. Bei klarem Wetter konnte man nicht nur den Leuchtturm von Hirtshals sehen, sondern auch den, der bei Rubjerg Knude hinter einer gewaltigen Sanddüne hervorlugte. Oben auf einer Düne fühlte sich Berit frei und schwerelos.
Beim Hinunterlaufen hatte sie das Gefühl, immer mehr in das prächtige Farbenspiel der hügeligen Dünenlandschaft einzutauchen. Inmitten satter Grüntöne leuchteten sowohl silberne Sanddornpflanzen mit unzähligen, orangen Beeren als auch die Magenta farbigen Blüten und feuerroten Hagebutten der Kartoffelrosen. In diesem Pflanzenmeer stand ihre geliebte Großmutter, die wie immer ihr braunes Wolltuch um die Schultern gelegt hatte.
Ihre wundervolle mormor hatte alle Geduld der Welt und schimpfte niemals, auch wenn jene sie kurzzeitig aus den Augen verloren hatte. Berit liebte es, mit ihrer Großmutter auf Bjæsk-Tour zu gehen, auch wenn sie sich nicht wirklich darum bemühte, ihr beim Sammeln der benötigten Beeren und Kräuter zu helfen.
Wie jedes Jahr sammelte Lillian unzählige Hagebutten der Kartoffelrosen, die sie zur Herstellung von Bjæskschnaps brauchte. Der braune Weidenkorb an ihrem Arm war schon halb gefüllt mit dicken, leuchtend roten Früchten, als Berit ihr mit glühenden Wangen entgegenlief.
„Hast du denn noch nicht genug davon, mormor?“
„Ich denke schon. Hilfst du mir mit dem Sanddorn?“
„Brauchst du so viele davon? Den haben wir doch schon zweimal gesammelt!“
„Das war für Marmelade. Jetzt ist es Zeit für Schnaps, skat“, sagte Lillian lächelnd und streichelte liebevoll über das erhitzte Gesichtchen ihrer Enkelin.
„Ich mag beides nicht. Und außerdem sticht der mich immer.“
„Magst du lieber noch ein bisschen herumlaufen?“
Statt einer Antwort schlang die Kleine ihre Arme um Lillian und lief dann wieder auf einen grünen Hügel zu.

6

23 Mittwoch Nov 2016

Posted by Berit in Grün

≈ Kommentare deaktiviert für 6

Wieder in ihrem Wagen hatte Berit das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Sie atmete heftig und brauchte ein paar Minuten, um ihr aufgewühltes Inneres wieder kontrollieren zu können. Schließlich steckte sie den Schlüssel ins Schloss und startete den Motor.
Erst als sie sich auf der Autobahn Richtung Stuttgart befand, war Berit wieder dazu imstande, bewusste Gedanken und Aufmerksamkeit in das bis dahin offensichtlich automatisch abgelaufene Fahren zu lassen.

Wie geht es jetzt weiter? Was mache ich denn jetzt überhaupt? Wohin will ich eigentlich?
Berits Finger krampften sich um das Lenkrad, während sie ihre Geschwindigkeit deutlich erhöhte. Als die Landschaft an ihr vorbei rauschte, formulierte ihr Kopf hunderte von stillen Fragen, auf die ihr Herz leider immer nur die gleiche Antwort zu geben vermochte:
Ich muss einfach!
Ihrer Ansicht nach viel zu früh musste sie sich entscheiden, wohin sie sich flüchten wollte und einem Impuls nachgebend folgte sie den Schildern in Richtung Heilbronn. Nach Stuttgart zu fahren war für sie keine Option. Zwar hatte sie noch kein konkretes Ziel vor Augen, aber sie fasste den Beschluss, bei Heilbronn eine erste Entscheidung zu treffen.

Je länger sie der A81 folgte, desto ruhiger wurde es in ihr und ihr Bedürfnis nach hohem Tempo verschwand letztlich vollständig. Schließlich fädelte sie ihren Golf hinter einem LKW ein und setzte ihre Fahrt auf der rechten Spur fort.
Bei langsamer Fahrt begann sie sich etwas zu entspannen und schenkte der bunten Felderlandschaft nach Freiberg größere Aufmerksamkeit.
Berit gefiel es, das Durcheinander von Ocker- und Brauntönen bereits abgeernteter Getreidefelder mit dem lebhaften Grün der Maisfelder zu vergleichen.
Die Maisblätter bewegten sich im Wind und setzten das Grün in Bewegung. Schon bald hatte Berit den Eindruck, dass dieses Grün genauso aufgewühlt war wie sie selbst. Sie begann sich daher mehr auf die verschiedenen Brauntöne zu konzentrieren und deren Ausstrahlung aufzunehmen. Bereits seit frühester Kindheit verband sie mit Braun immer eine gewisse Ruhe und Wärme.
Wärme, nach der sie sich gerade jetzt zu sehnen begann.

5

21 Montag Nov 2016

Posted by Berit in Grün

≈ Ein Kommentar

Berit legte ihre Koffer beinahe vorsichtig in den Kofferraum, als enthielten jene zerbrechlichen Inhalt. Sie hatte sich große Mühe damit gegeben, die richtigen Sachen auszuwählen und jene mit größtmöglicher Sorgfalt auf- und ineinander gestapelt.
Nur zwei Koffer und eine große Reisetasche für eine Reise ins Unbekannte! Ob mir das reicht, dachte sie.
Berit konnte genau fühlen, dass das ihr so vertraute Zaudern erneut dabei war, sie in seine unbarmherzigen Arme zu nehmen. Dieses Mal war sie aber fest dazu entschlossen, sich nicht davon überwältigen zu lassen und dieser Enge zu entfliehen.
Sie straffte ihre Schultern und betrachtete ihr wunderschönes Haus.
Es steckten so viele Erinnerungen darin!
In Berits Gedanken nahm plötzlich eine Unmenge an gutmütigen, schlimmen, traurigen, fröhlichen, bunten und auch schwarzen Erlebnissen Gestalt an.
Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie ihre Erinnerungen auch physisch daran hindern, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten.
Und damit setzte sie sich entschlossen in den Wagen, wählte die ihr so vertraute Nummer und wartete mit klopfendem Herzen auf die Stimme ihrer Freundin.
„Richmann?“
„Berit hier. Jutta, hast du kurz Zeit für mich?“
„Kommt drauf an, was du von mir brauchst“, lachte ihre Freundin in ihr Ohr.
„Ich komme kurz mal im Café vorbei, ist dir das recht?“
Nachdem Berit die erhoffte Antwort erhalten hatte, legte sie das Telefon auf den Beifahrersitz und drehte den Schlüssel um. Dem ruhigen Brummen des Motors gelang es schon bald, Berits Herzschlag wieder etwas zu normalisieren.
Je weiter sie sich von ihrem Zuhause entfernte, umso leichter wurde es in ihrer Brust.
Zurück schaute sie nicht mehr.

Die Terrasse des Kunstcafés war erstaunlich voll an diesem Vormittag. Der August verabschiedete sich dieses Jahr mit außergewöhnlich heißen Sommertagen und lockte nicht nur Touristen dazu ein, sich in die Sonne zu setzen und sich mit kühlen Getränken und Eisbechern zu erfrischen. Zum üblichen Damenkränzchen, das Jutta Richmann liebevoll als Inventar zu bezeichnen pflegte, hatten sich mehrere unbekannte Gesichter gesellt.
Zielstrebig bahnte sich Berit ihren Weg durch die mit fröhlich plappernden Menschen besetzten Tische hinein ins Café. Wie immer fand sie ihre Freundin hinter dem Tresen vor, die ihren Blick umgehend auffing.
Nach einer kurzen Unterhaltung mit einer ihrer Kellnerinnen deutete Jutta mit einem Kopfnicken zu einem kleinen Tischchen vor dem Tresen.
Berit nahm Platz, um auf sie zu warten. Die kurze Wartezeit nutzte sie dazu, um die sie umgebende, aktuelle Ausstellung an den Wänden zu bewundern. Bereits bei der Vernissage Anfang August hatte sie den Eindruck gehabt, dass die Farbpracht dieser jungen Nachwuchskünstlerin eine ganz besondere Stimmung ins Café zaubern würde. Jutta war sich damals nicht ganz sicher gewesen, ob man sich angesichts des kräftigen Bunts nicht auf Dauer eher genervt, denn inspiriert fühlen würde. Dabei vermochte jedes einzelne Bild Berits Meinung nach seine ganz eigene Geschichte zu erzählen.
Geschichten, die sie nicht mehr erzählen konnte, wie ihr gerade in diesem Moment klar wurde.
So in Gedanken versunken ließ sie sich von der Leuchtkraft den Farben mitnehmen und verlor sich in ihnen, bis ihre Freundin wie immer mit zwei Tassen Tee vor ihr stand und sie freundlich anlächelte.
„Na, meine Liebe, was verschafft mir denn die Ehre deines Besuchs?“
„Ich hoffe, ich störe dich nicht. Ist ziemlich voll heute. Vielleicht hätte ich besser nicht kommen sollen“, antwortete Berit.
Jutta setzte sich neben sie, lachte herzlich und umarmte sie.
„So ein Unsinn, du weißt doch, die Karin ist die beste Bedienung, die man sich wünschen kann. Die schafft das ganze Lokal alleine und bringt sogar verärgerte Gäste dazu, über eine lange Wartezeit zu schmunzeln. Denk dir also nichts.“
Als Berit hierauf nichts erwiderte, sondern schweigend an ihrem Tee schnupperte, verschwand Juttas fröhliches Lächeln aus ihrem Gesicht.
„Liebes, was ist denn mit dir los?“, fragte sie.
Berit sah ihre Freundin eine Weile an, um nach den richtigen Worten zu suchen. Warum nur fiel es ihr so schwer, Dinge beim Namen zu nennen? Mit einem Pinsel in der Hand konnte sie sich weit besser ausdrücken – jedenfalls war das bis heute Morgen immer so gewesen.
„Jutta, ich verschwinde“, sagte sie endlich.
„Wie, du verschwindest? Spinnst du?“
Am liebsten wäre Berit sofort aufgesprungen und weggelaufen, aber nun hatte sie es endlich ausgesprochen.
Wem, wenn nicht ihrer ältesten Freundin, konnte sie sich anvertrauen?
„Ich verschwinde für eine Weile von hier. Ich muss weg. Ich kann einfach nicht mehr.“
„Was ist denn passiert? Wo willst du denn hin?“, fragte Jutta überrascht.
„Ich weiß noch gar nicht, wo ich überhaupt hin will, aber auf alle Fälle halte ich es hier nicht mehr aus. Ich bin so furchtbar leer.“
„Was sagt denn Andreas dazu? Und die Mädchen?“, wollte Jutta wissen.
„Sie wissen noch nichts. Ich habe ihnen Briefe geschrieben, in denen ich ihnen alles erkläre.“
„Du weißt schon, dass das eine starke Nummer ist, die du da abziehst? Was auch immer dich dazu bringt, sowas überhaupt machen zu wollen, das haben deine Kinder nicht verdient. Die kommen von der Schule nach Hause und ihre Mama ist einfach futsch?“
„Bitte hass mich nicht“, bat Berit leise. „Ich brauche Zeit für mich allein. Andreas und die Kinder kommen zurecht. Die sind ja schon groß. Und außerdem, was bin ich denn für eine Mutter, wenn ich so bin wie ich bin?“
„Wie bist du denn?“, fragte Jutta.
Berit seufzte schwer und ließ sich etwas Zeit für ihre Antwort.
„Ich bin nicht mehr da. Ich habe irgendwie damit aufgehört, ich zu sein.“
Als Jutta in das verzweifelte Gesicht ihrer Freundin blickte, erkannte sie, dass diese Worte eine unfassbare Wahrheit für Berit geworden waren. Da waren noch so viele Fragen, die sie ihr zu gerne stellen wollte, aber sie wusste genau, dass jene keine Worte mehr hatte für das, was ihr gerade so zusetzte. Also nahm sie Berit einfach in den Arm und hielt sie wortlos so lange fest, bis das eingesetzte, leise Weinen wieder aufhörte.
„Ich kümmer´ mich um deine Mädels. Ich bin für sie da, versprochen. Halt mich bitte auf dem Laufenden und sag mir, wann du wieder zurückkommst“, sagte sie.
Berit konnte nicht antworten.
Sie sah sie nur mit großen, traurigen Augen an und nickte.
Dann stand sie auf, beugte sich noch einmal zu einem Küsschen zu ihrer Freundin hinunter und wandte sich zum Gehen.
„Pass auf dich auf und melde dich, ja?“, bat Jutta eindringlich.
„Werde ich“, versprach Berit und verließ das Café.

4

07 Montag Nov 2016

Posted by Berit in Grün

≈ Ein Kommentar

Beinahe vorsichtig hielt sie jedes Stück in den Händen und betrachtete es voller Erinnerungen. Irgendwie schien ihr jedes Kleidungsstück Episoden aus ihrem Leben erzählen zu wollen. Schließlich griff sie zu ihrer bunten Lieblingsweste.
Die Strickjacke hatte ich schon damals, als mich Andreas zur Geburt von Svenja in die Klinik gefahren hatte. Mit ihr hatte mein neues Leben als Mutter begonnen.
„Ich bin eine richtige Rabenmutter“, schimpfte sie sich laut und legte die Jacke schnell in den Koffer. Sie verschloss sich weiteren sentimentalen Gedanken und beendete zügig ihr Vorhaben. Mit einer gewissen Zufriedenheit stand sie vor nun zwei gefüllten Koffern und einer großen Reisetasche. Wohin will ich eigentlich und was brauche ich dort überhaupt?
Die Mädchen. Ich muss sie mitnehmen.
Berit ging in die Zimmer ihrer Töchter, um sich von jeder ein Kleidungsstück zu holen. Eines von Svenjas unvermeidlichen Tüchern und Lillys rosa Jacke, die ihr schon längst zu klein geworden war und die sie nun wirklich nicht mehr tragen sollte. Berit wollte den Geruch ihrer Töchter bei sich haben, egal, wohin es sie trieb. Sie packte Tuch und Jacke in die Reisetasche und zog den Reißverschluss zu.

Dann griff sie nach den beiden Koffern und schleppte sie die Treppen hinunter. Nicht einmal das schwere Gepäck konnte sie mehr aufhalten und so ging sie ein letztes Mal nach oben, um auch ihre Reisetasche zu holen. Sie blickte ein letztes Mal in ihr Schlafzimmer, bevor sie die Tür schloss.
Wieder unten angekommen stellte sie ihr Gepäck ab, um ihre Handtasche mit Papieren, Kredit- und Kontokarten und der albernen Lesebrille ihrer Mutter zu befüllen.
Ich sehe schon aus wie sie damals.
Der Gedanke an ihre Mutter, die zeitlebens über eben diese Brille gezetert hatte, ließ sie schmunzeln. Dann steckte sie das kleine, silber gerahmte Familienporträt in die Tasche und nahm ihren Sommermantel und die Schlüssel von den Haken.
Während sie ihre Sachen in den Kofferraum hob, lauschte Berit in sich hinein.
Vielleicht war da ja doch eine innere Stimme, die sie von ihrem Entschluss abzubringen versuchte?
Doch in ihr war Stille.

Berit malt

Hier entsteht ein Roman: ein Buch, ein Autor und viele Ideen. Ihre Ideen? Ein Schreibprojekt, das Sie mit Ihren Anregungen mitgestalten können. Ihre Kommentare sind also nicht nur herzlich willkommen, sondern dringend erwünscht. Wer von Anfang an lesen möchte, kann das in den nach Kapiteln angeordneten Menükarten tun. Willkommen und viel Spaß beim Lesen!

Neueste Kommentare

  • Berit bei 7
  • Stella, oh, Stella bei 7
  • Stella, oh, Stella bei 5
  • Manuela bei 4
  • R bei 3

Neueste Beiträge

  • 7
  • 6
  • 5
  • 4
  • 3

Archive

  • November 2016
  • Oktober 2016

Kapitel

Meta

  • Anmelden
  • Feed der Einträge
  • Kommentare-Feed
  • WordPress.org

Seiten

  • Kontakt
  • Über

Proudly powered by WordPress Theme: Chateau von Ignacio Ricci.